Bewegung Freies Triest

Tibor Päsztory: „Die unbekannte Größe“.

Zu Besuch im Freihafen Triest

Die unbekannte Größe

Der Freihafen Triest könnte durch den Bau des zweiten Suezkanals Wachstumsimpulse erfahren. Umstritten ist jedoch, wer für die Verwaltung des Freihafens eigentlich zuständig ist.

Northern Free Port of Trieste. Photo by Tibor Pasztory

Bild: Tibor Pasztory

Die Adria-Stadt Triest hat eine bewegte Vergangenheit hinter – und vielleicht auch eine eben-solche Zukunft vor sich.

Seit dem 14. Jahrhundert österreichisch, wurde sie nach dem Ersten Weltkrieg 1919 Italien zugesprochen, nach dem Zweiten Weltkrieg von den alliierten Siegermächten im Pariser Friedensvertrag 1947 allerdings wieder von Italien abgetrennt. Die Stadt wurde als Freistaat „Freies Territorium Triest“ UNO-Treuhandgebiet.

Da es sich – wenig überraschend – bald als unzweckmäßig herausstellte, die Stadt von New York aus zu verwalten, wurde das Territorium 1954 im Londoner Memorandum in die Zonen A und B geteilt, die fortan durch Italien bzw. Jugoslawien verwaltet wurden. Eine Souveränität über die beiden Zonen erhielten die beiden Staaten jedoch nicht.

Während sich Zone B durch Anerkennung der Grenzen der jugoslawischen Nachfolgestaaten Slowenien und Kroatien durch die Internationale Gemeinschaft 1991/92 erledigte, ist Zone A formal bis heute UNO-Treuhandgebiet. Alleine – Italien ignoriert dies, weswegen alle Landkarten, auf denen das UNO-Treuhandgebiet nicht zu finden ist, eigentlich fehlerhaft sind.

Die Triestiner Bürgerbewegung Movimento Trieste Libera (MTL) kämpft leidenschaftlich um Anerkennung des Treuhandstatus. Um die Sache noch weiter zu verkomplizieren, beinhaltet Zone A einen bereits seit 1618 bestehenden Freihafen, um dessen Status ebenfalls gestritten wird.

Während dessen neuerer Teil im Container- und Ölverladegeschäft besteht, verfällt der ältere Teil vor sich hin. Eine Reaktivierung scheitert jedoch an den Zuständigkeiten. Die italienische Verwaltung tendiert dem Vernehmen nach zu einem Wohnimmobilienprojekt, ihre Zuständigkeit wird von Projektgegnern je-doch bestritten.

Stattdessen fordern diese eine Wiederherstellung der ursprünglichen Zweckwidmung. Vor allem aber sollte der Freihafen als Körperschaft des Freien Territoriums, nicht jener Italiens, verwaltet werden. Unbeschadet dessen hat sich die Bedeutung von Freihäfen innerhalb der Europäischen Union (zu der Triest nach Meinung der Bewegung mangels eigenen Beitrittsvertrages nicht gehört) radikal verändert, da Binnenzölle innerhalb der EU sowieso nicht mehr existieren.

Die ebenfalls traditionsreichen Freihäfen von Emden und Kiel wurden 2010 aufgelöst, Bremerhaven und Cuxhafen bestehen je-doch weiter. Der Vorteil liegt hier eher in niedrigen Hafen-gebühren sowie der Rechtspraxis, dass aus EU-Ländern in Freihäfen ankommende Waren als bereits exportiert angesehen werden. Ganz anders verhält es sich mit Nicht-EU-Mitgliedslän-dem.

Diese genießen nach wie vor alle zoll- und steuerrechtlichen Vorteile, etwa die auf-schiebende Wirkung von Einfuhrumsatzsteuern von EU-Staaten um maximal sechs Monate. In Triest wird nun auf das im Friedensvertrag 1947 garantierte Recht für die Siegermächte des Zweiten (!) Weltkriegs, aber auch für Österreich und andere Nachfolgestaaten der Donaumonarchie sowie für die Schweiz (!) gepocht, in der den Freihafen verwaltenden internationalen Kommission vertreten zu sein. Bislang prallen diese Forderungen an den italienischen Behörden ab.

Doch erhält die Bewegung Zulauf von unerwarteter Seite, etwa tschechischen Umweltbewegungen, die nachgerechnet haben wollen, dass tschechische Exporte via Triest deutlich geringe-re CO2-Emissionen verursachen würden als via Nordsee. Weiteren Nährboden erhält die Diskussion durch den Bau des Zweiten Suezkanals, durch den der Frachtverkehr nach Europa Wachstumsimpulse erhalten könnte. Die kürzeste Route nach Mitteleuropa läuft über Triest.

Tibor Päsztory

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